http://www.ftd.de/unternehmen/:Vergleich-mit-US-Fiskus-UBS-%FCbermittelt-Daten-von-Steuers%FCndern/476568.html Vergleich mit US-Fiskus UBS übermittelt Daten von Steuersündern In einem beispiellosen Schritt schließt die Schweizer Großbank einen Vergleich mit dem US-Justizministerium: Sie will die Kundendaten von Tausenden reichen Amerikanern herausgeben, die der Steuerhinterziehung verdächtig sind - und den US-Fiskus mit 780 Mio. $ kompensieren. Die Schweizer Großbank UBS hat sich im Steuerstreit mit den US-Justizbehörden auf die Zahlung von 780 Mio. $ (622 Mio. Euro) geeinigt. Das teilten die Behörden und das Kreditinstitut am Mittwochabend mit. Außerdem erklärte sich die Bank in einem für die Schweiz beispiellosen Schritt bereit, den US-Ermittlungsbehörden Daten amerikanischer UBS-Kunden auszuhändigen. Ein entsprechender Vergleich zwischen UBS und der amerikanischen Staatsanwaltschaft wurde am Mittwoch laut Justizministerium von einem Bundesrichter in Fort Lauderdale im Bundesstaat Florida gebilligt. Die Entscheidung ist ein Schlag gegen das Schweizer Bankgeheimnis, das von dem Land und seinen Banken entschlossen verteidigt wird. Dass die UBS eine der bislang höchsten Zahlungen in einem solchen Fall leisten muss, belegt andererseits den Nachdruck, mit dem die US-Behörden gegen Steuerflucht vorgehen. Für die Schweizer Großbank, die vergangene Woche für 2008 einen Rekordverlust gemeldet hatte, ist der Fall nicht nur teuer, sondern auch aus einem anderen Grund brisant: Das Geschäft mit vermögenden Privatkunden - Kernfeld des Instituts - basiert auf Vertrauen und einem tadellosen Ruf. Die UBS hat schon nach den Verlusten im Investmentbanking unter einem Vertrauensverlust von Kunden zu leiden. Die US-Behörden wollen im Gegenzug zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen auf eine Strafverfolgung verzichten. Die Justizbehörden hatten der Bank vorgeworfen, reichen Amerikanern systematisch bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Es soll dabei um Guthaben im Wert von 18 Mrd. $ gehen. Dem Fiskus könnten in diesem Zusammenhang 300 Mio. $ Steuern entgangen sein. Insgesamt geht es nach früheren US-Angaben um 20.000 US-Kunden, die im Verdacht stehen, dem US-Fiskus in ihren Steuererklärungen bei der Schweizer Bank investiertes Vermögen verschwiegen zu haben. Kurz vor Bekanntgabe des Vergleichs durch das Justizministerium hatte die Genfer Zeitung "Le Temps" bereits berichtet, die UBS habe sich im Zuge der US-Ermittlungen zur Herausgabe von 250 Namen aus der Liste der 20.000 Kunden bereiterklärt. US-Zeitungen hatten vor diesem Hintergrund berichtet, die UBS wolle möglicherweise ihr US-Vermögensverwaltungsgeschäft verkaufen, das früher unter dem Namen "PaineWebber" lief. Die UBS rutscht wegen der Geldbuße für 2008 noch tiefer in die roten Zahlen als angekündigt. "Das Geschäftsergebnis 2008 wird um die Kosten für den Vergleich in den USA angepasst", sagte ein UBS-Sprecher am Donnerstag. Die Bank war für 2008 bislang von einem Jahresverlust von 19,7 Mrd. Schweizer Franken (13,4 Mrd. Euro) ausgegangen. Die Kosten des Vergleichs werden laut Mitteilung komplett im Geschäftsjahr 2008 verbucht und im geprüften Geschäftsergebnis enthalten sein, das im März veröffentlicht wird. Ob die Bank dafür Rückstellungen gebildet hat, wollte der Sprecher nicht sagen. Der Rechtsstreit ist mit der Einigung noch nicht zu Ende: Im Sommer 2008 hatte ein Gericht den US-Steuerbehörden die Erlaubnis gegeben, die Identität amerikanischer UBS-Kunden zu ermitteln, die in der Schweiz Konten unterhalten - und diese dem US-Fiskus verheimlichen. Die Regierung wird weiter versuchen, das auch durchzusetzen. http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:Gebrochenes-Bankgeheimnis-Schweiz-zittert-um-Zukunft-der-Banken/477327.html Gebrochenes Bankgeheimnis Schweiz zittert um Zukunft der Banken von Sarah Speicher-Utsch Die Herausgabe von Kundendaten durch die UBS erschüttert den Schweizer Finanzplatz in seinen Grundfesten - schließlich hat der für sein Bankgeheimnis berühmt-berüchtigte Alpenstaat noch nie zuvor derart vertrauliche Informationen übermittelt. Auch wenn Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Donnerstag betonte, dass das Bankgeheimnis bestehen bleibe: Beobachter gehen davon aus, dass der Erfolg der USA auch anderen Regierungen Auftrieb geben kann in ihren Bemühungen, nach neuen Steuereinnahmen zu suchen. Deutschland etwa. Bereits im Herbst 2008 hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf einer Konferenz betont: "Die Schweiz bietet Konditionen an, die deutsche Steuerzahler dazu bringen, Steuern zu hinterziehen." Zuvor hatte die Regierung einen Informanten bezahlt, um an die Namen von Steuersündern bei der Liechtensteiner LGT Bank zu gelangen. "Ein Erfolg der US-Steuerbehörden könnte die Steuerbehörden in anderen Ländern ermutigen, eine ähnliche Strategie zu verfolgen", sagte Merrill-Lynch-Analyst Derek De Vries. Mit Blick auf die Banken in der Schweiz sagte WestLB-Analyst Georg Kanders, dass vor allem kleine Häuser leiden könnten. "Die UBS kann ihre Kunden auch gut vom Ausland aus bedienen. Ein echtes Problem wird das vor allem für die kleinen Privatbanken in der Schweiz, die kein Auslandsgeschäft haben." "Für die Schweiz und ihre wichtigste Branche, den Bankensektor, ist das eine wahre Katastrophe", sagte der Genfer Anwalt Charles Poncet. Ein Steueranwalt, der anonym bleiben wollte, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Das Geschäft ist für Kunden, die aus Ländern kommen, die gewillt sind, Steuerverpflichtungen durchzusetzen, tot." Nutznießer könnten asiatische Länder sein. "Jetzt werden einfach sehr viele Gelder nach Singapur fließen", ergänzte ein Zürcher Privatbanker. Zwar sieht das Bankgeheimnis vor, dass die Schweiz bei Steuerbetrug Bankinformationen auf dem Rechtshilfeweg an andere Staaten weitergeben darf. In dem Ausmaß wie im Fall UBS ist das bislang aber noch nicht vorgekommen. Wie prekär die Lage für die Eidgenossen ist, machte Merz vor der Presse deutlich. So rechtfertigte er die Herausgabe der Kundendaten an die US-Behörden damit, dass die UBS in ihrer Existenz bedroht gewesen wäre, wäre sie in den Vereinigten Staaten angeklagt worden - ein Szenario, das ohne die am Donnerstag erzielte Einigung wohl Realität geworden wäre. Ein Konkurs der Bank mit ihren Zehntausenden Kunden aber würde die Schweizer Volkswirtschaft kurzfristig 75 bis 100 Mrd. Franken und längerfristig sogar bis zu 300 Mrd. Franken kosten. Schon jetzt stützt die Nationalbank die UBS mit umgerechnet maximal 47,8 Mrd. Euro. Die Bank muss nach der Einigung mit den Behörden Kontoinformationen von US-Kunden an das dortige Justizministerium weitergeben. Ihnen soll sie beim Steuerbetrug geholfen haben. Die UBS muss 780 Mio. $ Strafe zahlen und aus dem grenzüberschreitenden Geschäft mit US-Privatkunden aussteigen. In der Schweizer Politik und bei den Aufsichtsbehörden zeitigte die Einigung unterschiedliche Reaktionen. So begrüßte die Finanzaufsicht den Vergleich. Durch den Vergleich habe eine Strafanklage gegen die UBS verhindert werden können, die letztlich auch die Existenz der Großbank gefährdet hätte. Die Aufsicht hatte zusammen mit der UBS erreicht, dass die USA zunächst auf eine Anklage der Bank in den USA verzichten. Die Schweizer Bankiersvereinigung dagegen bedauerte, dass das US-Justizministerium den Rechtsweg nicht eingehalten habe. Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Er nannte den Druck vonseiten der USA inakzeptabel. Es könne nicht angehen, dass zwischen befreundeten Staaten der rechtsstaatliche Weg ausgehebelt werden. Inakzeptabel sei auch, dass die Finanzmarktaufsicht dem Druck nachgegeben habe. Die Aufsicht erkannte ihrerseits immerhin an, "dass den Behörden aus Systemschutzgründen keine andere Wahl verblieb, als diesen Vergleich durch eine Abkürzung des laufenden Amtshilfeverfahrens zu ermöglichen". In die gleiche Kerbe wie die Bankiersvereinigung schlug die Christlichdemokratische Volkspartei. Deren Präsident Christophe Darbellay äußerte sich schockiert über die Eile, mit der sich die Finanzmarktaufsicht dem Druck der USA gebeugt habe. Auch die Sozialdemokratische Partei hält das Vorgehen der USA für bedenklich. Der im Ausland nicht verstandene Unterschied zwischen vorsätzlicher Steuerhinterziehung und Steuerbetrug müsse im Interesse des Finanzplatzes aufgegeben werden, hieß es. Trotzig gab sich die Schweizerische Volkspartei SVP: Das Bankgeheimnis bleibe zentraler Aspekt des Finanzplatzes Schweiz, teilte sie mit. Das Bankgeheimnis Geschichte: Der Ursprung geht auf einen Skandal zurück: 1932 verhaftete die Pariser Polizei den Direktor einer Basler Bank, um an dessen Liste mit Adressen französischer Anleger zu kommen, die ihr Geld in der Schweiz geparkt hatten - als Reaktion stellte die Schweiz das Bekanntgeben von Kundendaten unter Strafe. In Kraft trat das "Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen" 1934. Nutznießer: Die Vorteile wissen auch Diktatoren zu nutzen. So parkte das philippinische Herrscherpaar Imelda und Ferdinand Marcos Millionen in der Schweiz, ebenso wie Zaires Präsident Mobutu Sese Seko oder Nigerias Militärdiktator Sani Abacha. Ausnahmen: Bei Steuerbetrug, der etwa das Fälschen von Dokumenten voraussetzt, können die Behörden das Bankgeheimnis aufheben, nicht aber bei Steuerhinterziehung. Gelockert wurde das Gesetz auch wegen der Suche nach Vermögen von Holocaust-Opfern sowie des Aufspürens von Diktatorengeldern. ================================ http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:Sondergesetz-zur-Enteignung-Nur-HRE-wird-zum-VEB/474841.html Sondergesetz zur Enteignung ============================= Nur HRE wird zum VEB von Jens Tartler (Berlin) Die Große Koalition erarbeitet eigens ein Gesetz zur Enteignung der Aktionäre des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate. Es soll aber nur für die derzeitige Regierung gelten - nach der Bundestagswahl müsste neu entschieden werden. Das sogenannte Rettungsübernahmegesetz sollte eigentlich bis Jahresende gelten. Auf Druck der Union werde dieser Zeitpunkt auf den 31. Oktober oder sogar den 30. Juni vorgezogen, hieß es am Wochenende in der Koalition. Das Gesetz soll am Mittwoch mit anderen Änderungen am Bankenrettungsschirm vom Kabinett beschlossen werden. Damit wird das Enteignungsgesetz zu einer "Lex HRE". Durch die knappe Frist kann die Koalition signalisieren, dass die Enteignung von Banken die Ausnahme bleibt. Außerdem kann sie ein Gesetz für einen speziellen Fall machen, was eigentlich nicht üblich ist. Die Bundesregierung will eine Mehrheit von mindestens 95 Prozent bei der HRE übernehmen, um die Kontrolle über die Bank zu erhalten. Sie hat Sorge, dass andernfalls Steuergeld in Milliardenhöhe verloren gehen könnte. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verwies am Sonntag in Berlin darauf, dass die HRE bereits Garantien von 102 Mrd. Euro erhalten habe, davon 87 Mrd. Euro vom Staat - "und das, ohne dass irgendein direkter Einfluss zur Umstrukturierung gegeben ist". Steinbrück betonte das Missverhältnis zwischen der Höhe der Garantien und dem Börsenwert der HRE von 280 Mio. Euro. Sowohl Steinbrück als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) halten eine Enteignung der HRE-Aktionäre für ein mögliches Instrument. Merkel sagte im ZDF, dies sei aber die "Ultima Ratio", wenn es keine anderen Möglichkeiten gebe, die Mehrheit an dem Kreditinstitut zu übernehmen. "Auf jeden Fall wollen wir die Kontrollmehrheit", sagte sie. Nur dann sei gewährleistet, dass die notwendige Rettung der HRE für den Staat "möglichst billig" werde. Ein Konkurs der HRE sei keine Alternative. "Wir haben uns international verpflichtet: Das machen wir nicht", sagte die Kanzlerin. ================================ http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:Zweckgesellschaft-LBBW-will-Giftpapiere-loswerden/477319.html Zweckgesellschaft LBBW will Giftpapiere loswerden von Meike Schreiber (Frankfurt) Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) will sich durch die Gründung einer Zweckgesellschaft von ihren riskanten Wertpapieren befreien. Aus Eignerkreisen verlautete, dass dafür dafür etwa der Bundeshilfsfonds Soffin bürgen könne. ================================ http://www.gewaltenteilung.de/ Man stelle sich vor : Schalke 04 soll gegen Bayer Leverkusen spielen. Am Tag vor dem Bundesligaspiel wird bekannt : Der vorgesehene Schiedsrichter ist Angestellter des Bayer-Konzerns. Würden die Anhänger von Schalke 04, würden überhaupt lebenserfahrene Fußballfans an die innere Unabhängigkeit eines Schiedsrichters glauben, der bei dem Bayer-Konzern auf der Gehaltsliste steht? Man stelle sich vor : Ein Bürger klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen den Freistaat Sachsen. Ein Tag vor der mündlichen Verhandlung wird ihm bekannt : Durch sächsisches Landesgesetz ist ein oberstes Organ seines Prozessgegners - der Staatsminister der Justiz - zum Dienstvorgesetzten eines jeden einzelnen der für die Entscheidung zuständigen Richter bestimmt worden. Der Minister hat das letzte Wort über den Inhalt der Dienstzeugnisse der Richter, er entscheidet über ihre Karrieren und insoweit auch über ihren Lebensweg und er lässt in anhängigen Gerichtsverfahren die "Sachbehandlung" durch die Richter in Geschäftsprüfungen überwachen. Würde der Kläger vor dem Verwaltungsgericht, würden überhaupt lebenserfahrene Bürger an die innere Unabhängigkeit von Richtern glauben, die in einer solchen äußeren Abhängigkeit von der gegnerischen Prozesspartei arbeiten ? ".....Wer soll herrschen? Diese Frage verlangt nach einer autoritären Antwort: etwa »die Besten« oder »die Weisesten« oder »das Volk« oder »die Mehrheit«. Man sollte eine ganz andere Fragestellung an ihre Stelle setzen, etwa: Was können wir tun, um unsere politischen Institutionen so zu gestalten, daß schlechte oder untüchtige Herrscher (die wir natürlich zu vermeiden suchen, aber trotzdem nur allzu leicht bekommen können) möglichst geringen Schaden anrichten?...." Sir Karl R. Popper 1960 Im Jahre 1966 glaubte Karl Jaspers eine Fehlentwicklung in Deutschland feststellen zu können (Buchtitel: "Wohin treibt die Bundesrepublik?"): "....Was wollen wir durch die Bundesrepublik? Stauffenberg faßte kurz vor seinem Attentat [auf Adolf Hitler] das Ziel in einen Satz: »Wir wollen eine neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates« macht und ihnen »Recht und Gerechtigkeit« verbürgt." Was hat die Bundesrepublik von diesem Ziel verwirklicht?.... [....] ....Auf die Frage, ob unser Staat eine Demokratie sei, pflegt die Antwort selbstverständlich zu sein: Ja, eine parlamentarische Demokratie. Das Grundgesetz bezeugt es: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« (Artikel 20). Wie aber sieht das in der Realität aus? Die Verfasser des Grundgesetzes scheinen vor dem Volke Furcht gehabt zu haben. Denn dieses Gesetz schränkt die Wirksamkeit des Volkes auf ein Minimum ein. Alle vier Jahre wählt es den Bundestag. Die ihm von den Parteien vorgelegten Listen oder Personen sind schon vorher durch die Parteien gewählt.....Die Parteien, die keineswegs der Staat sein sollten, machen sich, entzogen dem Volksleben, selber zum Staat....Der Staat, das sind die Parteien. Die Staatsführung liegt in den Händen der Parteienoligarchie. Sie usurpiert den Staat....Ihre durch keine Spannung zu anderer Macht eingeschränkte Stellung verführt....die Parteien wollen durch ihre eigenen Leute die Plätze besetzen. Das ist der Lohn für die Parteiarbeit, die Beute des Siegers nach der Wahlschlacht....". b. Zur "Dritten Gewalt": "....es geht darum, aufzudecken, daß die Selbständigkeit der Gerichte in Deutschland ein Schein ist, hinter dem eine andere rechtliche und oft auch tatsächliche Wirklichkeit steht. Dieser Schein ist historisch entstanden. Man hat sich an ihn gewöhnt....Die Gewaltentrennung im heutigen staatsrechtlichen Sinne besagt, daß Legislative, Exekutive und Rechtsprechung von verschiedenen Organen wahrzunehmen sind. Daraus folgt zunächst, daß diese Organe selbständig sein müssen, d. h. ihr Eigenleben in sich tragen, ohne in ihrem Seinsbestand von einer der anderen Gewalten abzuhängen.... Diese [die deutsche] Justizverwaltung ist aber....im wesentlichsten Teil, nämlich in der Spitze, den Gerichten entzogen und in die Hand der Exekutive gelegt. Das hebt....den Seinsbestand der Dritten Gewalt auf und macht ihn zur Fiktion trotz Anerkennung im Grundgesetz und in den Landesverfassungen...." [So Paulus van Husen, der erste Präsident des Verfassungsgerichtshofes und des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen]. ".....Wer soll herrschen? Diese Frage verlangt nach einer autoritären Antwort: etwa »die Besten« oder »die Weisesten« oder »das Volk« oder »die Mehrheit«. Man sollte eine ganz andere Fragestellung an ihre Stelle setzen, etwa: Was können wir tun, um unsere politischen Institutionen so zu gestalten, daß schlechte oder untüchtige Herrscher (die wir natürlich zu vermeiden suchen, aber trotzdem nur allzu leicht bekommen können) möglichst geringen Schaden anrichten?...." Sir Karl R. Popper 1960 Statt eines Vorworts: Gewaltenteilung - was ist das, was soll sie und wie steht es mit ihr in unserem Land ? Die klassische Staatslehre unterscheidet zwischen drei Staatsgewalten, der ersten Gewalt (gesetzgebende Gewalt = Legislative = Parlament), der zweiten Gewalt (ausführende Gewalt = Exekutive, bestehend aus Regierung und Verwaltung) und der dritten Gewalt (rechtsprechende Gewalt = Judikative = Richter). Die erste Gewalt stellt die Spielregeln (Gesetze) auf, nach denen der Staat funktionieren soll und denen alle unterworfen sind (vgl. Art 20 Grundgesetz). Die zweite Gewalt handelt praktisch im Rahmen der Gesetze (macht die Politik, führt die Gesetze aus). Die dritte Gewalt (vgl. Art. 92 Grundgesetz) wacht darüber, dass die Gesetze eingehalten werden (beispielsweise auch darüber, dass sich die zweite Gewalt an die von der ersten Gewalt festgelegten Spielregeln hält). Das Zusammenspiel der drei Staatsgewalten setzt voraus, dass keine über die anderen die Oberhand gewinnt und sie beherrscht. Andernfalls hätte man nicht mehr eine Aufteilung der Staatsgewalt auf drei verschiedene Machtträger, sondern die Alleinherrschaft einer einzigen Gewalt, was die Gewaltenteilung gerade verhindern soll. Im Jahre 1532 veröffentlichte der Italiener Niccolò Machiavelli sein Werk "Der Fürst". Es war eine Bedienungsanleitung für machtorientierte Politiker. Hieraus ein Zitat: "....Die Handlungen aller Menschen und besonders die eines Herrschers, der keinen Richter über sich hat, beurteilt man nach dem Enderfolg. Ein Herrscher braucht also nur zu siegen und seine Herrschaft zu behaupten, so werden die Mittel dazu stets für ehrenvoll angesehen und von jedem gelobt. Denn der Pöbel hält sich immer an den Schein und den Erfolg; und in der Welt gibt es nur Pöbel...". Die Ratschläge Machiavellis sind bis zum heutigen Tage eine Versuchung für jeden Karrierepolitiker und für manchen die konkrete Handlungsanweisung. Politische Denker der Aufklärung suchten immer wieder den allgegenwärtig drohenden Schatten Machiavellis zu bannen, nicht zuletzt um die Freiheit des Menschen vor den jeweils Mächtigen zu schützen. So entstanden die modernen Ideen von Rechtsstaat und Gewaltenteilung. Der Engländer John Locke, der Franzose Charles de Montesquieu und der Deutsche Immanuel Kant gehörten zu ihren Verfechtern. Der Rechtsstaat wurde auf Beine gestellt. Auf drei Beine. Gewaltenteilung ist ein Strukturprinzip, ein Bauteil für die Staatsordnung, das deren Funktionieren in einer bestimmten Weise beeinflussen soll. Wer für die Verteilung der staatlichen Gewalt auf unterschiedliche Organe des Staates ist, erstrebt damit die Bändigung der Macht des Staates durch ein System des Miteinanders und des Gegeneinanders, des Zusammenwirkens und des Kontrollierens von und durch diejenigen, denen die Macht anvertraut ist. Warum soll Macht gebändigt werden? Dies soll Freiheit ermöglichen und auf Dauer sichern sowie bessere Sachentscheidungen zeitigen. Wenn Gewaltenteilung ein Strukturprinzip ist, ist sie dann nicht nur ein akademisches Problem, eben für Akademiker? Dass dem ganz und gar nicht so ist, ergibt sich schnell mit der Überlegung: was wäre ohne Gewaltenteilung? Die jüngere Geschichte bietet abschreckende Beispiele: Weder das Nazi- noch das SED-Regime wollten von Gewaltenteilung etwas wissen und dies hat die konkreten Lebensverhältnisse vieler, wenn nicht sogar aller Menschen nachhaltig beeinträchtigt. Wie steht es mit der Gewaltenteilung in Deutschland? Welche Tradition hat sie? Wie ist sie in der Ordnung des Grundgesetzes installiert worden? Wie wird sie gelebt? Wird sie unterlaufen, wird sie überformt? Wie haben sich die einzelnen Gewalten entwickelt? Manche klagen, dass der Staat des Grundgesetzes zu einer Beute der Parteien, dass er vor allem und zunächst Parteienstaat geworden ist. Belegen die Befunde im Bereich der Gewaltenteilung eine solche Feststellung? Haben die Parteien es geschafft, die Gewaltenteilung zu unterminieren und auf diese Weise Macht, die von unterschiedlichen Machthabern ausgeübt werden soll, doch wieder in einer oder in ganz wenigen Händen zu vereinen, in die sie nicht gehört? Hierzu zwei Zitate: a. Im Jahre 1966 glaubte Karl Jaspers eine Fehlentwicklung in Deutschland feststellen zu können (Buchtitel: "Wohin treibt die Bundesrepublik?"): "....Was wollen wir durch die Bundesrepublik? Stauffenberg faßte kurz vor seinem Attentat [auf Adolf Hitler] das Ziel in einen Satz: »Wir wollen eine neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates« macht und ihnen »Recht und Gerechtigkeit« verbürgt." Was hat die Bundesrepublik von diesem Ziel verwirklicht?.... [....] ....Auf die Frage, ob unser Staat eine Demokratie sei, pflegt die Antwort selbstverständlich zu sein: Ja, eine parlamentarische Demokratie. Das Grundgesetz bezeugt es: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« (Artikel 20). Wie aber sieht das in der Realität aus? Die Verfasser des Grundgesetzes scheinen vor dem Volke Furcht gehabt zu haben. Denn dieses Gesetz schränkt die Wirksamkeit des Volkes auf ein Minimum ein. Alle vier Jahre wählt es den Bundestag. Die ihm von den Parteien vorgelegten Listen oder Personen sind schon vorher durch die Parteien gewählt.....Die Parteien, die keineswegs der Staat sein sollten, machen sich, entzogen dem Volksleben, selber zum Staat....Der Staat, das sind die Parteien. Die Staatsführung liegt in den Händen der Parteienoligarchie. Sie usurpiert den Staat....Ihre durch keine Spannung zu anderer Macht eingeschränkte Stellung verführt....die Parteien wollen durch ihre eigenen Leute die Plätze besetzen. Das ist der Lohn für die Parteiarbeit, die Beute des Siegers nach der Wahlschlacht....". b. Zur "Dritten Gewalt": "....es geht darum, aufzudecken, daß die Selbständigkeit der Gerichte in Deutschland ein Schein ist, hinter dem eine andere rechtliche und oft auch tatsächliche Wirklichkeit steht. Dieser Schein ist historisch entstanden. Man hat sich an ihn gewöhnt....Die Gewaltentrennung im heutigen staatsrechtlichen Sinne besagt, daß Legislative, Exekutive und Rechtsprechung von verschiedenen Organen wahrzunehmen sind. Daraus folgt zunächst, daß diese Organe selbständig sein müssen, d. h. ihr Eigenleben in sich tragen, ohne in ihrem Seinsbestand von einer der anderen Gewalten abzuhängen.... Diese [die deutsche] Justizverwaltung ist aber....im wesentlichsten Teil, nämlich in der Spitze, den Gerichten entzogen und in die Hand der Exekutive gelegt. Das hebt....den Seinsbestand der Dritten Gewalt auf und macht ihn zur Fiktion trotz Anerkennung im Grundgesetz und in den Landesverfassungen...." [So Paulus van Husen, der erste Präsident des Verfassungsgerichtshofes und des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen]. Sind diese Befunde korrekt? Funktionieren bei uns Gewaltenbalance und Bestenauslese? Leben wir in einem Dauerkrieg beutegieriger Parteien um Macht und Posten? Wohin gerät ein Land mit der Zeit, in dem es möglich ist, dass mittelmäßige Menschen immer wieder erstklassige Positionen in den Leitungsebenen besetzen, weil die "Bestenauslese" im Übermaße die Folgewirkung ist eines vereinsinternen, öffentlich unzureichend kontrollierten Machtgerangels innerhalb der politischen Parteien? Und wohin treibt ein Land, in dem sich die Mächtigen die zu ihrer Kontrolle geschaffenen Staatsorgane persönlich aussuchen und subtil beherrschen? Für die von Jaspers und van Husen [siehe PERSONENINDEX] beklagte Schieflage gibt es eine historische Erklärung: Die Verfasser des Grundgesetzes haben dem Volk als unmittelbar handelndem Souverän misstraut und deshalb die Macht der politischen Parteien gestärkt [Art. 21 Grundgesetz]. Sie handelten inmitten von Trümmern und unter dem Schock der Erfahrung, dass das deutsche Volk Adolf Hitler in freien Wahlen an die Macht gebracht hatte. Viele von ihnen hatten die dem Diktator zujubelnden Massen noch vor Augen und die "Sieg Heil!"-Rufe in den Ohren. So führte, folgt man Karl Jaspers, der Schatten Hitlers zur Infektion der jungen Demokratie mit dem Krankheitskeim einer allmählich von dem gesamten Staatswesen besitznehmenden Parteienvormundschaft. Der Verfassungsgeber des Grundgesetzes wünschte sich aber eine Umgestaltung der deutschen Staatswirklichkeit hin zum gewaltengeteilten Rechtsstaat, wollten neue Staatsstrukturen, die gewährleisten, dass die Macht dem Recht unterworfen ist und dem Recht nachfolgt. Zitat Dr. Adolf Süsterhenn, CDU, Rede vom 08.09.1948 vor der verfassungsgebenden Versammlung (dem Parlamentarischen Rat): "....Wir müssen wieder zurück zu der Erkenntnis, daß der Mensch nicht für den Staat, sondern der Staat für den Menschen da ist. Höchstwert ist für uns die Freiheit und die Würde der menschlichen Persönlichkeit. Ihnen hat der Staat zu dienen....Der Staat ist für uns nicht die Quelle allen Rechts, sondern selbst dem Recht unterworfen...Die Demokratie als Herrschaft der Mehrheit, zu der wir uns unbedingt bekennen, ist allein noch nicht geeignet, die menschliche Freiheit zu sichern....Über die Statuierung der Menschen- und Grundrechte hinaus fordern wir zwecks Sicherung der menschlichen Freiheit bewußt eine pluralistische Gestaltung von Staat und Gesellschaft, die jede Machtzusammenballung an einer Stelle verhindert. Nach unserer Auffassung war es das historische Verdienst Montesquieus, erkannt und verkündet zu haben, daß jede Macht der Gefahr des Mißbrauchs ausgesetzt ist, weil jeder Mensch geneigt ist, wie Montesquieu sagt, »die Gewalt, die er hat, zu mißbrauchen, bis er Schranken findet«. Aus dieser Erkenntnis heraus fordert Montesquieu die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger. Diese Auffassung....wird von uns in vollem Umfang als richtig anerkannt, wobei wir den besonderen Nachdruck auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Justiz legen......". Die nach 1949 allgegenwärtigen Parteien verhinderten, dass die Staatsgewalt auf drei verschiedene, einander gleichgeordnete Machtträger übertragen wurde und unterliefen dadurch den deutlich artikulierten Willen des Verfassungsgebers. Die deutsche Justiz ist ein Teil des Geschäftsbereichs der Regierung geblieben, nach 1945 wie vor 1945, nach 1949 wie vor 1949. Bis zum heutigen Tage. Zitat Paulus van Husen: "Daß man trotzdem von unabhängigen Gerichten spricht, ist einfach eine Verletzung der Wahrheit. Um so grotesker wirkt sich das alles bei den Verwaltungsgerichten aus. Der Kontrolleur ist wirtschaftlich völlig in der Hand des Kontrollierten. Der Kontrollierte sucht sich die Richter aus, hält sie durch Beförderungsaussichten und Dienstaufsichtsmittel in Atem, mißt ihnen jährlich die sachlichen Bedürfnisse zu." ________________ Funktioniert die Gewaltenteilung in Deutschland tatsächlich? Wird ihr Zweck in zureichendem Maße erreicht? Bedenken sind angebracht: In Deutschland stellt die stärkste politische Partei oder Parteienkoalition die Regierung und die Mehrheit im Parlament und beherrscht beide Organe. In Deutschland wird die Justiz von der Regierung verwaltet. Wer aber kontrolliert die Regierung, wenn diese auf vielfältige, teils offene, meist subtile Weise ihre Kontrollorgane aussucht und beherrscht (z.B. durch eine gezielte Steuerung der Richterkarrieren)? Zu c. [Rechtslage und Verfassungswirklichkeit in Deutschland]: In Deutschland hat bis heute keine Übertragung der Rechtsprechenden Gewalt auf einen eigenen Machtträger stattgefunden. Wie Italien hat sich auch Deutschland für die verfassungsrechtliche Einführung einer Gewaltenteilung entschieden [Art 20 Abs. 2 und 3, 92 und 97 Grundgesetz]. Die Realisierung dieses Gedankens durch seine Umsetzung in konkrete Staatsstrukturen hat aber bis heute nicht stattgefunden. Die Rechtsprechende Gewalt ist nach wie vor in die Exekutive eingebunden. In Deutschland wählt das Parlament nur die Spitze der Exekutive [den Regierungschef]. Der Justizminister ist ein vom Regierungschef ernanntes Regierungsmitglied und führt die Rechtsprechende Gewalt als ein Ressort der Exekutive. Die Gerichte werden als "nachgeordnete Behörden" der Regierung gesehen und behandelt. In Deutschland entscheiden die Justizminister über Auswahl, Anstellung und Beförderung von Richtern - zumeist allein, selten in einer für sie je nach Bundesland mehr oder weniger verbindlichen Zusammenarbeit mit Mitwirkungsgremien. In Deutschland führen Minister die oberste Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter. In Deutschland sind die Gerichtspräsidenten in ihrer Eigenschaft als Behördenleiter Beamte und damit dem Justizminister nachgeordnete Organe der Exekutive. Richter sind sie nur ausnahmsweise und nur dann, wenn sie auch tatsächlich richterlich tätig werden (z.B. Prozessakten bearbeiten oder Gerichtsverhandlungen leiten, gleichrangig den anderen Zivilrichtern, Strafrichtern, Verwaltungsrichtern, Sozialrichtern etc.). In der dem Justizminister weisungsunterworfenen Beamteneigenschaft sind die Gerichtspräsidenten Leitungsorgane der Justizverwaltung und die Vorgesetzten der an den Gerichten beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter. In ihrer Beamteneigenschaft führen sie aber auch die unmittelbare Dienstaufsicht über die Richter. Als beamtete Vorgesetzte schreiben sie die für den beruflichen Lebensweg der Richter entscheidenden Dienstzeugnisse. Allein wegen ihrer weisungsgebundene Beamtentätigkeit führen die Präsidenten ihre besonderen Amtsbezeichnungen und werden (deutlich) höher besoldet. In Deutschland unterstehen die Richter der Aufsicht von Regierungsbeamten. Die einst für den Obrigkeitsstaat geschaffene hierarchische Rangfolge ist im Wesentlichen bis heute unverändert. Die Gewaltenfusion in der Person der Gerichtspräsidenten war stets ein geeignetes Mittel, die in Worten hochgehaltene Gewaltenteilung weitgehend leerlaufen zu lassen und dies zugleich zu vertuschen. Gerichtspräsidenten als weisungsgebundene, der Regierung zu Loyalität verpflichtete Beamte repräsentieren die Gerichte nach außen, nicht Richter. In Deutschland erhalten Bürger, Journalisten, Politiker Informationen über die Gerichte von Organen der Exekutive, nicht von Richtern. Systembedingt setzt sich einseitig die Sichtweise der Regierung durch, die auch politisch motiviert und deshalb unsachlich sein kann. Diese Erkenntnis erreicht das Bewusstsein der Öffentlichkeit nur unzureichend, die in den Gerichtspräsidenten schon wegen der Titulierung zufördertst unabhängige Richter vermutet. In Deutschland müssen Richter, die sich über die Zustände an ihren Gerichten in der Öffentlichkeit kritisch äußern, mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Die Exekutive [Justizverwaltung] rechtfertigt dies mit dem sogenannten "Mäßigungsgebot", das sie dem Beamtenrecht entlehnt. Der disziplinarische Verweis wird von dem Gerichtspräsidenten als dem dienstvorgesetzten Beamten erteilt. Er wird vorab ausgesprochen; die Richter können sich anschließend auf eigenes Kostenrisiko vor den Richterdienstgerichten um seine Aufhebung bemühen. Auf die Besetzung der Richterdienstgerichte nimmt die Justizverwaltung maßgeblichen Einfluss. Die im Jahre 1877 (Reichsjustizgesetze) strukturell eingerichtete Vormundschaft der Exekutive über die in Angelegenheiten der Justiz sprachlos gehaltenen Richterinnen und Richter ist im heutigen (West- und Mittel-) Europa eine deutsche Besonderheit. Man hat ihr einen neuen Namen gegeben: "Gewaltenverschränkung". In Deutschland wurden aber keine drei Staatsgewalten miteinander "verschränkt"; es hätte sie erst einmal geben müssen. Die deutsche Justiz war im kaiserlichen Obrigkeitsstaat ein Teil des Geschäftsbereichs der Regierung und sie ist es geblieben. Nach 1918 wie vor 1918. Nach 1945 wie vor 1945. Nach 1949 wie vor 1949. Bis zum heutigen Tage. In Deutschland sind die Staatsanwälte den Weisungen der Justizminister unterworfen. Justizminister sind in der Regel Politiker einer Regierungspartei. In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt - der Exekutive - gesteuert, an deren Spitze die Regierung steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar. Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener des Rechts. Deshalb müssen Richter von Machtinteressen frei organisiert sein. In Deutschland sind sie es nicht. In den stenografischen Protokollen des Parlamentarischen Rats [des deutschen Verfassungsgebers] ist wörtlich nachzulesen, dass die Verfasser des Grundgesetzes eine nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Gewaltenteilung, einen neuen Staatsaufbau im Sinne des oben dargestellten italienischen Staatsmodells wollten: "Die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger" [Zitat aus der Sitzung des Parlamentarischen Rats vom 08.09.1948]. Der Wunsch des Verfassungsgebers fand seinen Niederschlag im Wortlaut des Grundgesetzes [z.B. in Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 92, Art 97 GG]. Der Staatsaufbau blieb der alte. Das Grundgesetz ist bis heute unerfüllt. Schon damals stieß die ungewohnte Neuerung auf heftigen Widerstand. Bereits in den Kindestagen der Bundesrepublik Deutschland wurde die Gewaltenteilung mit dem Ziele der Beibehaltung des überkommenen, einseitig von der Exekutive dominierten Staatsaufbaus erfolgreich zerredet. Die allenthalben verbreitete Worthülse "Gewaltenverschränkung" wurde zum Sargdeckel auf der Reformdiskussion. Hierzu der Präsident des Oberlandesgerichts Brandenburg und Präsident des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg Dr. Peter Macke im Jahre 1999: "....Die Geschichte der Dritten Gewalt in Deutschland ist eine Geschichte der Demütigungen von Anfang an. Man kann auch sagen: Eine Geschichte der Dritten Gewalt als eigenständige Staatsgewalt gibt es in Deutschland fast gar nicht. Es hat nie einen realistischen Versuch gegeben, die Justiz entsprechend der mit der Gewaltenteilungslehre naturgemäß verbundenen Vorstellung eines Nebeneinanders der Staatsgewalten auf eigene Füße zu stellen. Sie ist organisatorisch stets von der Exekutive abhängig und ihr über den Justizminister, seinerseits Teil der Exekutive, verbunden geblieben. [......] Die Rolle des Justizministers ist dabei nie wirklich hinterfragt worden. Gemessen am Gewaltenteilungsgrundsatz ist er....eine Absurdität. Man stelle sich den Sturm der Entrüstung vor, der sich - berechtigterweise - erheben würde, wenn jemand auf den Gedanken käme, die Angelegenheiten der Legislative, des Parlaments, unter dem Dach der Regierung, ihren Mehrheitsentscheidungen ausgesetzt und zur Regierungsloyalität verpflichtet, durch ein "Parlamentsministerium" wahrnehmen zu lassen. [......] Die Verfassung selbst geht zwar, wie dargelegt, von der Judikative als eigenständiger Staatsgewalt aus, stellt aber....kein Instrument zum Schutz der Eigenständigkeit der Dritten Gewalt zur Verfügung....Die beiden anderen Staatsgewalten, Parlament und Regierung, sind vor den Verfassungsgerichten organbeteiligungsfähig. Die Dritte Gewalt selbst ist, so scheint es, wehrlos und rechtlos." 2. Sein und Sollen Im Jahre 1962 schrieb Prof. Dr. Theodor Eschenburg unter Berufung auf Montesquieu über die Gewaltenteilung: "Wie die Vergangenheit gezeigt hat, gibt es verschiedene Formen der Gewaltenunterscheidung, und es mögen neue Formen gefunden werden, die sich von den bisherigen wesentlich unterscheiden. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist an keine Dogmen und an keine Richtung gebunden. Sie ist keine Glaubenssache, wie das Königtum oder die Republik eine Glaubenssache sein mag. Sie ist kein Selbstzweck, sondern sie ist ein Mittel, ein sinnreiches Mittel der Staatsgestaltung und der Staatskunst. Während viele Staatstheorien die Weisheit und Gerechtigkeit des Herrschers oder die Einsicht und Disziplin des Volkes als gegeben voraussetzen, geht dieses Prinzip von der ewigen Erfahrung aus, daß jeder, der Macht hat, ihrem Mißbrauch geneigt ist: er geht so weit, bis er auf die Schranken stößt. Macht hat die Tendenz, zu verderben. Absolute Macht verdirbt absolut". Das zweite große Ziel der Gewaltenteilungsidee nennt der Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim: "Das Prinzip der Gewaltenteilung ist, wie andere organisatorische Verfassungsprinzipien, nicht Selbstzweck, sondern soll bewirken, daß durch Aufteilung der Macht auf Träger unterschiedlicher Interessenrichtung die Machtträger sich gegenseitig zu größerer Richtigkeit steigern. Das Zusammenspiel der Machtträger soll eine möglichst große Richtigkeitschance für Gemeinschaftsentscheidungen sichern. Darin liegt der bleibende Sinn, dem das Gewaltenteilungsprinzip über alle Änderungen der politischen Kräfte und der staatlichen Einrichtungen hinweg zu dienen bestimmt ist." Das in den Art 20 Abs. 2 und 3, 92 und 97 Grundgesetz niedergeschriebene Gewaltenteilungsprinzip ist für die deutsche Justiz nur ein Rechtssatz geblieben, eine Absichtserklärung des deutschen Verfassungsgebers, letztlich beschränkt auf einen moralischen Appell an die nach wie vor in einer Beamtenhierarchie formierte Richterschaft. Appelle sind aber nichts als Mahnrufe. Sie erinnern an das, was sein soll. Sie beschreiben nicht das, was wirklich ist. Das Sein [die Wirklichkeit] ist nicht mit dem Sollen [der Rechtsordnung] deckungsgleich. Niedergeschriebene Spielregeln sind nicht schon Lebenswirklichkeit. Von dem Text eines Gesetzes können nicht einfache Rückschlüsse auf die Realität gezogen werden. Ob und inwieweit die Forderungen eines Gesetzes auch tatsächlich vollzogen weden, bedarf einer eigenen Prüfung. In den Verfassungen mancher diktatorisch regierter Länder sind demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze niedergeschrieben, die nichts mit der dortigen Lebenswirklichkeit zu tun haben. Wer etwas über die tatsächliche Machtverteilung erfahren will, der ist schlecht beraten, wenn er sich damit begnügt, die Verfassungen zu lesen. Diese Erkenntnis gilt natürlich auch für die Dritte Gewalt selbst: Ein Richter, der nach dem Wortlaut der Verfassung bei seinen Entscheidungen innerlich unabhängig sein soll, muss nicht allein schon wegen dieses an ihn gerichteten Mahnrufs auch wirklich innerlich unabhängig sein, sondern kann sehr wohl in vielen Abhängigkeiten stehen. In Werken der Weltliteratur wird dies lebendig beschrieben. Die Kluft zwischen Sein und Sollen in der deutschen Justiz wurde von dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts von Nordrhein-Westfalen Dr. Paulus van Husen schon im Jahre 1951 anschaulich in folgende Worte gefasst: "....Das Grundübel liegt in der Richterernennung durch die Exekutive. Zunächst besteht die häufig verwirklichte Gefahr, daß für das Richteramt ungeeignete Personen aus sachfremden Gründen, die der Exekutive nützlich erscheinen, ernannt werden. Wie soll ein Richter unabhängig sein, der sein ganzes Leben lang hinsichtlich der Beförderung in Aufrückestellen von der Exekutive abhängt. Nicht jeder Mensch ist zum Märtyrer für eine Idee geboren, andererseits hat aber jeder Mensch die Pflicht, für seine Familie und sein eigenes Fortkommen zu sorgen. Die richterliche Unabhängigkeit ist eine verlogene Angelegenheit, so lange dies System besteht. [......] Ein ganz böses Kapitel ist die sogenannte Dienstaufsicht der Exekutive, die tausend Hände hat, um den Richter abhängig zu machen und die Rechtsprechung zu beeinflussen. [......] Eine ganz böse Fessel liegt ferner in dem Umstand, daß die Gerichte nicht selbst ihre Haushaltsmittel bei der Legislative beantragen, ihre Forderungen dort begründen und nur ihr gegenüber für die Verwendung verantwortlich sind, daß all das vielmehr in der Hand der Exekutive ist. [......] Den Gerichten kann also von der Exekutive der Brotkorb nach Belieben je nach Wohl- oder Schlechtverhalten höher gehängt werden. Daß man trotzdem von unabhängigen Gerichten spricht, ist einfach eine Verletzung der Wahrheit. Um so grotesker wirkt sich das alles bei den Verwaltungsgerichten aus. Der Kontrolleur ist wirtschaftlich völlig in der Hand des Kontrollierten. Der Kontrollierte sucht sich die Richter aus, hält sie durch Beförderungsaussichten und Dienstaufsichtsmittel in Atem, mißt ihnen jährlich die sachlichen Bedürfnisse zu". ______________ "Wer in Deutschland nach der Verfassungswirklichkeit gefragt wird, pflegt oftmals nur das Grundgesetz aufzuschlagen um dann zu behaupten, dass das Wirklichkeit ist, was nach dem Wortlaut des Grundgesetzes Wirklichkeit sein soll, allein weil es dort so geschrieben steht." [......] "Das in den Art 20 Abs. 2 und 3, 92 und 97 Grundgesetz niedergeschriebene Gewaltenteilungsprinzip ist für die deutsche Justiz nur ein Rechtssatz geblieben, eine Absichtserklärung des deutschen Verfassungsgebers, letztlich beschränkt auf einen moralischen Appell an die nach wie vor in einer Beamtenhierarchie formierte Richterschaft" [......] "Was auf das Blatt Papier geschrieben wird, ist ganz gleichgültig, wenn es der realen Lage der Dinge....widerspricht." In gekürzter und inhaltlich veränderter Form veröffentlicht in Betrifft JUSTIZ 2005, Seiten 18 ff. Udo Hochschild James Madison [Die "Federalist Papers": Streitschrift, Verfassungskommentar und politische Theorie der amerikanischen Verfassungsväter] führte dazu im Jahre 1788 aus: "Auf welches Mittel sollen wir zurückgreifen, um auch in der Praxis die in der Verfassung festgelegte Teilung der Gewalten zu gewährleisten? Darauf gibt es nur eine Antwort: Da all diese äußeren Maßnahmen sich als unzureichend erwiesen haben, muß der Mangel behoben werden, indem die innere Struktur des Regierungssystems so gestaltet wird, daß dessen konstitutive Elemente durch ihre wechselseitigen Beziehungen selbst zum Mittel werden, den jeweils anderen Teil in seine Schranken zu verweisen. [......] Um eine angemessene Grundlage für eine getrennte und spezifische Ausübung der verschiedenen Regierungsgewalten zu schaffen, wie sie bis zu einem gewissen Grad von allen Seiten als wesentlich zur Erhaltung der Freiheit anerkannt wird, muß offensichtlich jede Gewalt einen eigenen Willen haben und also so konstituiert sein, daß die Mitglieder einer Gewalt so wenig wie möglich mit Ernennung oder Wahl der Mitglieder der anderen zu tun haben. [......] Aber die wichtigste Sicherung vor einer allmählichen Konzentration der verschiedenen Gewalten in einer Hand besteht darin, den Amtsinhabern der verschiedenen Gewalten die nötigen verfassungsmäßigen Mittel und persönlichen Anreize an die Hand zu geben, Übergriffe der anderen abzuwehren. Die Vorkehrungen für eine Verteidigung müssen in diesem wie in allen anderen Fällen der voraussichtlichen Stärke der Bedrohung entsprechen. Machtstreben muß Machtstreben entgegenwirken. ________________ "Mit den Institutionen ist die Kontrolle verknüpft. Diese ist eine Bedingung der Freiheit in der Demokratie. Die Kontrolle ist notwendig, weil Menschen im Besitz der Macht vielleicht ohne Ausnahme dazu neigen, diese zu mißbrauchen. Im demokratischen Staat darf keine Behörde, keine Instanz, keine handelnde Persönlichkeit ohne Kontrolle bleiben" [Zitat: Karl Jaspers]. Die konkrete Ausgestaltung von wirksamen Schranken für die Ausübung von Macht ist Gegenstand der Gewaltenteilungslehre. 1762 Aus dem Text: "....Sobald der Dienst am Staat aufhört, die hauptsächlichste Angelegenheit der Bürger zu sein, und diese vorziehen, mit der Geldbörse statt mit ihrer Person zu dienen, ist der Staat seinem Zerfall schon nahe....." Jean-Jacques Rousseau Gesellschaftsvertrag 1862 Aus dem Text: "....Wenn Sie in Ihrem Garten einen Apfelbaum haben und hängen nun an denselben einen Zettel, auf den Sie schreiben: dies ist ein Feigenbaum, ist denn dadurch der Baum zum Feigenbaum geworden? Nein, und wenn Sie Ihr ganzes Hausgesinde, ja alle Einwohner des Landes herum versammelten und laut und feierlich beschwören ließen: dies ist ein Feigenbaum - der Baum bleibt, was er war, und im nächsten Jahr, da wird sich's zeigen, da wird er Äpfel tragen und keine Feigen. Ebenso wie wir gesehen haben mit der Verfassung. Was auf das Blatt Papier geschrieben wird, ist ganz gleichgültig, wenn es der realen Lage der Dinge, den tatsächlichen Machtverhältnissen widerspricht...." Ferdinand Lassalle Über Verfassungswesen 1926 Aus dem Text: "...Die Regierung, die die Unabhängigkeit der Richter schädigt, untergräbt schlechthin die Säule des Rechtsstaates..." Jubiläumsfeier des (Sächsischen) Oberverwaltungsgerichts Ansprache von Präsident Wirkl. Geh. Rat v. Nostitz-Drzewiecki vom 02.01.1926 1934 Aus dem Text: "Ich kann es mir ersparen, im einzelnen darzulegen, daß es einen Rechtsstaat nicht geben kann ohne Gewaltenteilung" Gustav Radbruch Der Relativismus in der Rechtsphilosophie 1948 Aus dem Text: "....Wir müssen wieder zurück zu der Erkenntnis, daß der Mensch nicht für den Staat, sondern der Staat für den Menschen da ist....Die Demokratie als Herrschaft der Mehrheit, zu der wir uns unbedingt bekennen, ist allein noch nicht geeignet, die menschliche Freiheit zu sichern...." Adolf Süsterhenn Rede vom 08.09.1948 vor dem Plenum des Parlamentarischen Rats 1949 Aus dem Text: "....Durch die in dem Abschnitt "Die Rechtsprechung" getroffene Regelung wird der Gedanke herausgestellt, daß die rechtsprechende Gewalt neben Legislative und Exekutive die dritte staatliche Funktion ausübt und im System der Gewaltenteilung den dritten Machtträger darstellt [......] Das vorerwähnte Grundprinzip bedeutet insbesondere 1. die Notwendigkeit des Vorhandenseins oder der Schaffung besonderer Organe für die vorgenannte Seite der Staatstätigkeit; [......] Der zu 1. genannte Gesichtspunkt hat seinen Ausdruck gefunden in der Bestimmung des Artikels 92...." Amtliche Begründung des Grundgesetzes (Abschnitt: "Die Rechtsprechung") 1949 Aus dem Text: "....Erkennen läßt sich aber, daß das Grundgesetz der rechtsprechenden Gewalt als der eigentlichen Hüterin des Rechts eine über die Vorstellungen von Weimar hinausgehende Bedeutung zuerkennt. Es will nach den Erfahrungen einer trüben Vergangenheit der staatlichen Machttheorie den Satz entgegenstellen: »Dem Rechte die Macht.«...." Georg August Zinn: Die Rechtsprechung 1951 Aus dem Text: ".... Wie soll ein Richter unabhängig sein, der sein ganzes Leben lang hinsichtlich der Beförderung in Aufrückestellen von der Exekutive abhängt. Nicht jeder Mensch ist zum Märtyrer für eine Idee geboren, andererseits hat aber jeder Mensch die Pflicht, für seine Familie und sein eigenes Fortkommen zu sorgen. Die richterliche Unabhängigkeit ist eine verlogene Angelegenheit, so lange dies System besteht....Ein ganz böses Kapitel ist die sogenannte Dienstaufsicht der Exekutive, die tausend Hände hat, um den Richter abhängig zu machen und die Rechtsprechung zu beeinflussen....Eine ganz böse Fessel liegt ferner in dem Umstand, daß die Gerichte nicht selbst ihre Haushaltsmittel bei der Legislative beantragen, ihre Forderungen dort begründen und nur ihr gegenüber für die Verwendung verantwortlich sind, daß all das vielmehr in der Hand der Exekutive ist....Den Gerichten kann also von der Exekutive der Brotkorb nach Belieben je nach Wohl- oder Schlechtverhalten höher gehängt werden. Daß man trotzdem von unabhängigen Gerichten spricht, ist einfach eine Verletzung der Wahrheit. Um so grotesker wirkt sich das alles bei den Verwaltungsgerichten aus. Der Kontrolleur ist wirtschaftlich völlig in der Hand des Kontrollierten. Der Kontrollierte sucht sich die Richter aus, hält sie durch Beförderungsaussichten und Dienstaufsichtsmittel in Atem, mißt ihnen jährlich die sachlichen Bedürfnisse zu...." Dr. Paulus van Husen (Oberverwaltungsgerichtspräsident in Nordrhein-Westfalen): Die Entfesselung der Dritten Gewalt 1953 Aus dem Text: "Politiker aller Parteien haben übereinstimmend festgestellt, daß in Wirklichkeit noch ein Verwaltungsstaat statt eines Rechtsstaates besteht, daß eine Bürokratenherrschaft an Stelle der Volksherrschaft gerückt ist, daß die Gewaltenteilung schon eine Fiktion wurde, zumal mehr als 90 Prozent aller Gesetzentwürfe von der Ministerialbürokratie und knapp 10 Prozent von den Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften gefertigt werden....." Dr. jur. Manfred Mielke Frankfurter Allgemeine Zeitung Der Verwaltungsstaat fürchtet den Rechtsstaat 1953 40. Deutscher Juristentag (Sieg der Reformgegner?) Aus dem Text: Gutachter Prof. Dr. Ridder: "....Es gibt keine "rechtsprechende Gewalt"....in der Demokratie des Grundgesetzes...." !!! 1966 Aus dem Text: ".....Die Parteien wandeln ihren Sinn. Die Richtung der Wandlung ist diese: Sie waren gemeint als Organe des Volkes, das durch sie seinen Willen kundtut und umgekehrt wieder von ihnen politisch erzogen wird. Aber sie werden zu Organen des Staates, der nunmehr wieder als Obrigkeitsstaat die Untertanen beherrscht. Die Parteien, die keineswegs der Staat sein sollten, machen sich, entzogen dem Volksleben, selber zum Staat. Ursprünglich vielfach autonome Bildungen aus der unbegrenzten Freiheit des Volkes, werden sie in ihrem Bewußtsein zu den Machtträgern selber. Der Staat, das sind die Parteien. Die Staatsführung liegt in den Händen der Parteienoligarchie. Sie usurpiert den Staat. Diese Wandlung wird institutionell ohne Absicht befördert. Bei der Begründung der Bundesrepublik ging der Wille auf die Stabilität der Regierung. Die aktive Teilnahme des gefährlichen Volkes sollte möglichst gering werden. Man konnte es nicht ausschalten, weil man behauptete, eine Demokratie zu wollen. Aber man reduzierte seine Wirkung auf die alle vier Jahre stattfindenden Wahlen. Und man behandelte es bei den Wahlen mit den Propagandamitteln als Stimmvieh, das nur über das Maß der Beteiligung der einzelnen Parteien an der Regierung entscheidet...." Karl Jaspers Wohin treibt die Bundesrepublik? !!! 1968 Aus dem Text: "....wie kann man bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der Richter in einem Staat mit einer Grundordnung wie der unsrigen eine Regelung gutheißen, die nicht einmal das Kaiserreich gekannt hatte (geschweige denn die Weimarer Republik), sondern die erst die Diktatur eingeführt hatte!...." Günter Weist, Oberlandesgerichtsrat, Frankfurt a.M.: Die Entwicklung der Dienstaufsicht über Richter 1996 Aus dem Text: ".....Rechtsstaatlichkeit bedeutet, daß die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist....." Frank Schindler Die historische Entwicklung des Rechtsstaatsgedankens !!!! 1997 Aus dem Text: ".....Justizbeamte, die in der Verkleidung von Richtern herumlaufen, gibt es reichlich." Jürgen Rudolph, Richter am Amtsgericht (Cochem) Die diskrete Korruption der deutschen Justiz 1999 Aus dem Text: "....Die Unabhängigkeit des Richters dient dazu, den einzelnen Bürger vor dem Mißbrauch der repressiven Gewalt des Staates zu schützen. Sie allein genügt aber nicht, um die Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns und die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz zu gewährleisten. Ohne eine solche richterliche Kontrolle staatlichen Handelns kann man aber nicht von einem Rechtsstaat sprechen...." Dr. Marco Pivetti (Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft beim Kassationsgericht in Rom): Gewaltenteilung in Italien !!! 1999 Aus dem Text: "....Die Geschichte der Dritten Gewalt in Deutschland ist eine Geschichte der Demütigungen von Anfang an. Man kann auch sagen: Eine Geschichte der Dritten Gewalt als eigenständige Staatsgewalt gibt es in Deutschland fast gar nicht. Es hat nie einen realistischen Versuch gegeben, die Justiz entsprechend der mit der Gewaltenteilungslehre naturgemäß verbundenen Vorstellung eines Nebeneinanders der Staatsgewalten auf eigene Füße zu stellen. Sie ist organisatorisch stets von der Exekutive abhängig und ihr über den Justizminister, seinerseits Teil der Exekutive, verbunden geblieben. Die Rolle des Justizministers ist dabei nie wirklich hinterfragt worden. Gemessen am Gewaltenteilungsgrundsatz ist er - in dem hier erörterten Zusammenhang und unbeschadet sonstiger Aufgaben (Betreuung der Gesetzgebungsarbeit, Verwaltung von Gefängnissen etc.) - strenggenommen eine Absurdität. Man stelle sich den Sturm der Entrüstung vor, der sich - berechtigterweise - erheben würde, wenn jemand auf den Gedanken käme, die Angelegenheiten der Legislative, des Parlaments, unter dem Dach der Regierung, ihren Mehrheitsentscheidungen ausgesetzt und zur Regierungsloyalität verpflichtet, durch ein "Parlamentsministerium" wahrnehmen zu lassen....Die Verfassung selbst geht zwar.... von der Judikative als eigenständiger Staatsgewalt aus, stellt aber, anders als in puncto richterliche Unabhängigkeit, kein Instrument zum Schutz der Eigenständigkeit der Dritten Gewalt zur Verfügung....Die Dritte Gewalt selbst ist, so scheint es, wehrlos und rechtlos...." Dr. Peter Macke (Präsident des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg und Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts) Die Dritte Gewalt als Beute der Exekutive !!!!!!!!!!!! 2000 Gewaltenteilung - Einführung in das Thema Udo Hochschild, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dresden Aus dem Text: "....Weshalb sich Richterinnen und Richter von vornherein auf inhaltliche Diskussionen über die Art ihrer Steuerung durch eine andere Staatsgewalt einlassen und nicht stattdessen zuerst prüfen, ob eine solche Einflussnahme überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, wäre eine eigene Untersuchung wert. Erlauben Sie mir, diese Frage auf die Spitze zu treiben, indem ich ein Bild male, eine Karikatur in Worten: Stellen Sie sich vor: Eine Gruppe von Gefängnisbesuchern wird mit Gefangenen verwechselt und versehentlich eingesperrt. Und jetzt sitzt sie hinter Gittern und fordert nicht vehement ihre Freiheit, sondern sie stellt resigniert fest, dass sie nun einmal gefangen ist und lässt sich artig auf Diskussionen mit der Gefängnisleitung ein über die effiziente Gestaltung ihres Haftalltages...." Udo Hochschild, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dresden Aus Baden-Württemberg: Neue "Steuerungs"-Modelle in der Justiz (oder: vom Richter zum juristischen Sachbearbeiter?) "...Die Dritte Gewalt ist den Richtern "anvertraut". Wer die Richter wiederum einem Organ der Exekutive "anvertraut", macht den Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung zunichte..." Udo Hochschild, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dresden: Zur Unabhängigkeit von Richtern und von Beamten in direktem Vergleich 2001 Aus dem Text: "...Ein Richter, der sich in der Frage öffentlichen Auftretens und bei der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben dem Ministerium verpflichtet fühlt, wird dem Verfassungsgebot des Art. 97 GG ebenso wenig gerecht wie derjenige, der die Urteile für die nächste Instanz schreibt..." Rechtsanwalt Dr. Michael Quaas, M.C.L., Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Stuttgart: Aus der Sicht des Anwalts: der ideale (Verwaltungs-)Richter 2002 Aus dem Text: "....Das eigentliche Ziel der Demokratie ist die Sicherung des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt...." Horst Häuser, Richter am Verwaltungsgericht (Wiesbaden) Demokratie an der Legitimationskette 2003 Aus dem Text: "....Die deutsche Justiz ist fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt - der Exekutive - gesteuert, an deren Spitze die Regierung steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet......Die "moralische Atmosphäre" der rechtsprechenden Gewalt wird in Deutschland maßgeblich von der Justizverwaltung bestimmt. Die von der Justizverwaltung verfolgten Machtinteressen der Regierung liegen wie ein Fangnetz über der rechtsprechenden Gewalt. Das subaltern-bürokratische Denken und Handeln der Exekutive lähmt jedes richterliche Engagement. Die quantitätsorientierte Fixierung an Pensen- und Erledigungszahlen hat mit der Richtigkeit und Gerechtigkeit richterlicher Entscheidungen nichts zu tun. Ein Beurteilungs- und Beförderungswesen, in dem die Lüge als Ritual allgemein akzeptiert ist, korrumpiert Menschen und zerstört ihre Moral...." Horst Häuser, Richter am Verwaltungsgericht (Wiesbaden) Vorfragen richterlicher Ethik 2003 Aus dem Text: "....Da sich ein Justizminister nun aber nicht nur als Hüter über die Unabhängigkeit der Justiz, sondern natürlich auch als Politiker zu begreifen pflegt, ist er der Versuchung ausgesetzt, andere Mittel einzusetzen, um die politisch erwünschte Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu erreichen, wenn er diese für rechtlich vertretbar hält. So ermöglicht ihm seine Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft auch, Druck im Einzelfall.....zu erzeugen.....Dies ist vor allem dann bedenklich, wenn auf eine staatsanwaltliche Entscheidung hingewirkt wird, die keiner richterlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann...." Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg Staatsanwaltschaft und Gewaltenteilung Ein Plädoyer für die Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Judikative !!!!!!! 2005 Aus dem Text: "....Diese Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Gewaltenteilung) hat zur Folge, daß das Sächsische Oberverwaltungsgericht hier als gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 GG nicht mehr fungieren kann...." Rechtsanwalt Wolfram Vögele, Stadtdirektor a.D., Gewaltenteilung in Sachsen 2005 Aus dem Text: "....greife ich eine vieldiskutierte Äußerung eines früheren preußischen Justizministers auf, die fälschlich in der Bedeutung überliefert worden ist, dass den Richtern ihre Unabhängigkeit getrost gewährleistet werden könne, solange er, der Justizminister, über die Vergabe der Beförderungsämter gebieten könne. In ihrem wahren Kern zeigt diese 1876 im Reichstag getätigte Aussage nämlich auf, dass sich seit ihrem Ausspruch vor fast 130 Jahren die traurige beamtenrechtsähnliche Rechtswirklichkeit kaum verändert hat und damit in erschreckendem Maß zugleich hinter grundgesetzlichen Vorstellungen und - was ich hier nicht ausführen kann - dem europäischen Mindeststandard zurückgeblieben ist...." Dr. Bernd Brunn, Richter am Bundesverwaltungsgericht Richterliche Unabhängigkeit und ihre Gefährdung durch (die Art und Weise von) Beförderungen Beschluss der Bundesvertreterversammlung des DRB Die Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes hat am 27. April 2007 in Potsdam - Das Zwei-Säulen-Modell des DRB - Stand 27. April 2007 Der Justiz ist die Stellung zu verschaffen, die ihr nach dem Gewaltenteilungsprinzip und nach der in den Art. 92 ff. GG vorgesehenen Gerichtsorganisation zugewiesen ist. http://www.gewaltenteilung.de/rautenberg_v.htm "....Es ist nämlich eine Fehlinformation,.....dass mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft in Deutschland keine unzulässige politische oder sonst unsachgemäße Einflussnahme verbunden sei. Vielmehr lässt sich der Missbrauch der Staatsanwaltschaft in Deutschland als »Organ der Staatsregierung« bis zu ihren.....Anfängen zurückverfolgen.... Die Abhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaft von Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg Brandenburg a.d. Havel http://www.betrifftjustiz.de/ Zeitschrift für Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen richter vereinigung http://www.neuerichtervereinigung.de/main.php?id=171&stellung_id=69 NRV - Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V Greifswalder Straße 4 10405 Berlin Tel: 030-4202 2349 Fax: 030-4202 2350 www.nrv-net.de s e k r e t a r i a t @ n r v - n e t . d e Vertretungsberechtigter Vorstand: Nils Feldhaus Wilfried Hamm Registergericht: Amtsgericht Frankfurt/Main Registernummer: VR 9017 Inhaltlich Verantwortlich: Nils Feldhaus Richter am Amtsgericht Grendplatz 2 45276 Essen Wilfried Hamm Vors. Richter am Verwaltungsgericht Helmholtzstr. 6-7 14467 Potsdam Dr. Mario Cebulla Richter am Landgericht Frankendamm 17 18439 Stralsund Thomas Schulte-Kellinghaus Richter am Oberlandesgericht Salzstraße 28 79098 Freiburg Doris Walter Richterin am Amtsgericht Universitätsstr. 48 35037 Marburg Jens Heise Richter am Sozialgericht Invalidenstr. 52 10557 Berlin Ingrid Meinecke Richterin am Verwaltungsgericht Helmholtzstr. 6-7 14467 Potsdam Redaktion Mira Nagel Greifswalder Straße 4 10405 Berlin Elektronischer Hausarrest 12 Feb 2009 | Landesverband Baden-Württember Landesverband Baden-Württemberg An das Justizministerium - zu Händen Herrn MR Prof. Dr. Rüdiger Wulf o. V. – Schillerplatz 4 70173 Stuttgart - per Mail – Endingen, den 12.02.2009 • Entwurf eines Gesetz über die elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstra-fe – EAStVollzG • Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung – Landesverband Baden-Württemberg Sehr geehrter Herr Prof. Wulf, sehr geehrte Damen und Herren, Der oben genannte Gesetzentwurf ist uns im Zusammenhang mit der Anhörung der Gerichtspräsidenten bekannt geworden. Zu unserem Erstaunen ist die Neue Richter-vereinigung als Verband nicht zu dem Gesetzentwurf angehört worden. Wir bitten, auf die Berücksichtigung der NRV zukünftig zu achten. Inhaltlich möchten wir zu diesem Entwurf folgende Anmerkungen machen: I. Allgemeines 1. Inhalt Mit dem Gesetz soll die elektronische Überwachung (im Gesetz elektronische Aufsicht, sonst auch elektronische Fußfessel oder electronic monitoring genannt) als Vollzugsform und Ausgestaltung des Vollzugs der Freiheitsstrafe eingeführt werden. Als Vollzugsform von Freiheitsstrafe sieht der Gesetzentwurf den elekt-ronisch überwachten Hausarrest in zwei Fällen vor: Zum einen als Vollzugsform von Ersatzfreiheitsstrafe – ohne zeitliche Obergrenze –, zum anderen zur Vorbe-reitung der Entlassung für eine Dauer von maximal sechs Monaten. Als Ausgestaltung des herkömmlichen Freiheitsstrafenvollzugs soll das electronic monitoring auch zur Überwachung so genannter vollzugsöffnender Maßnahmen (Freigang, Ausgang, Freistellung aus der Haft) für eine Dauer bis zu sechs Mona-ten angeordnet werden können. Als elektronische Überwachung soll dabei nicht nur die in einigen europäischen Nachbarländern übliche Beaufsichtigung der An- oder Abwesenheit des Verurteil-ten in der Wohnung zulässig sein, sondern alternativ hierzu ausdrücklich auch die Erstellung eines Bewegungsprofils. 2. Gesetzgebungskompetenz Die Gesetzgebungskompetenz für die elektronische Überwachung vollzugsöff-nender Maßnahmen ist nach der Übertragung der Kompetenz für den Strafvollzug auf die Länder gegeben. Nicht eindeutig ist dies bei der Einführung des elektronisch überwachten Hausar-restes. Es ist fraglich, ob hier nicht de facto eine neue Sanktion eingeführt wird, der aus Gründen der Kompetenzrechtfertigung das Mäntelchen der Vollzugsform einer Freiheitsstrafe umgehängt wird. Freiheitsstrafe ist der Entzug der Freiheit, somit nach der Legaldefinition des § 2 FEntG, die hierfür üblicherweise herange-zogen wird, die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Gefäng-nis, einem Haftraum, einer abgeschlossenen Verwahranstalt usw. Beim Hausar-rest dürfte es sich – auch wenn er elektronisch überwacht wird – nur um eine frei-heitsbeschränkende Maßnahme handeln , somit nicht um den Vollzug von Frei-heitsstrafe. Diese verfassungsrechtliche Frage wird über kurz oder lang von den zuständigen Gerichten geklärt werden müssen, sollte das Gesetz in Kraft treten. 3. Einschätzung der Maßnahme Der elektronisch überwachte Hausarrest stellt wie die elektronische Überwachung von vollzugsöffnenden Maßnahmen eine ambivalente Methode der Freiheitsbe-schränkung dar. Die Vorteile des elektronisch überwachten Hausarrestes liegen auf der Hand: Die entsozialisierende Wirkung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in Haftanstalten mit ihren negativen Auswirkungen auf das familiäre Umfeld und die Arbeitsstelle wird vermieden. Angeblich können hiermit auch Kosten eingespart werden. Eine resozialisierende Wirkung wird zudem darin gesehen, dass die Einhaltung des vorher vereinbarten Tages- und Wochenplanes ununterbrochen überwacht wird – eine Gelegenheit zur Einübung sozial notwendiger Fähigkeiten, die es in dieser Intensität sonst kaum geben dürfte. Auch die elektronische Überwachung von Lockerungen hat erkennbare Vorteile: In einer Zeit, in der das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis zu einer zunehmenden Zurückhaltung von internen und externen Gutachtern führt, positive Stellungnah-men zu verfassen, können hierdurch möglicherweise solche Personen die Chan-ce auf vollzugsöffnende Maßnahmen und somit auch eine vorzeitige Haftentlas-sung bekommen, bei denen dies andernfalls fraglich wäre. Diesen Vorteilen stehen mannigfache Nachteile entgegen, denen der Gesetzent-wurf keine ausreichende Aufmerksamkeit widmet. Beim elektronisch überwachten Hausarrest als Vollzugsform der Ersatzfreiheits-strafe ist zu besorgen, dass er nur sozial integrierten Verurteilten zugute kommen wird – und somit nicht zu resozialisierenden Zwecken, sondern allein aus Kosten-gründen vollzogen wird. Dies hätte zur Folge, dass sich primär sozial integrierte Personen damit die Zahlung der Geldstrafe und die Ableistung gemeinnütziger Arbeit ersparen können. Die Kluft zwischen einer Justiz für integrierte und einer solchen für randständige Personen würde sich auf diese Weise weiter vertiefen. Auch besteht das Risiko des so genannten net-widening-Effekts: Jede neue Ü-berwachungstechnik in sicherheitsrelevanten Bereichen zieht neue Rechtferti-gungssituationen nach sich, wenn sich ein Risiko realisiert und durch die Anwen-dung der Technik (vermeintlich) hätte verhindert werden können. Zudem muss die Anschaffung sich amortisieren. Somit ist besonders im Bereich der elektroni-schen Überwachung von Lockerungen, aber auch des Entlassungsarrestes zu besorgen, dass Lockerungen und vorzeitige Entlassungen auch dann nur noch mit elektronischer Überwachung bewilligt werden, wenn sie nach der heutigen Rechtslage auch ohne dies bewilligt worden wären. Schließlich ist insbesondere die Erstellung eines Bewegungsprofils ein so erheb-licher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Überwachten, dass frag-lich erscheint, ob dessen Zustimmung diesen Eingriff rechtmäßig machen kann. Zum einen sind die persönlichen Schutz- und Freiheitsrechte des Grundgesetzes Ausdruck einer objektiven Wertordnung und stehen nicht frei zur Disposition des Einzelnen. Zum anderen darf die Freiwilligkeit der Zustimmung bezweifelt wer-den, wenn andernfalls die begehrte Lockerung oder vorzeitige Entlassung abge-lehnt würde. Auch der Ministerialdirektor des baden-württembergischen Justizministeriums hat dies noch im Sommer 2006 so gesehen und in einer Stellungnahme im Landtag vorgetragen: „Diese GPS-Technik ist teuer und im Rahmen des elektronisch ü-berwachten Hausarrests wegen des lückenlosen Bewegungsprofils aus Gründen des Persönlichkeitsrechts problematisch. Soweit ersichtlich, wird sie in Europa noch nicht eingesetzt.“ Letzteres dürfte sich zwar inzwischen geändert haben – aus Frankreich sind Modellversuche hiermit bekannt, was angesichts der Position des derzeitigen französischen Präsidenten zu Fragen der inneren Sicherheit nicht überrascht. Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wird allerdings durch ihre Praktizierung in europäischen Nachbarländern nicht weniger problematisch. Im Justizministerium scheint diesbezüglich in den letzten zweieinhalb Jahren ein Sin-neswandel stattgefunden zu haben, dessen Berechtigung von uns nicht gesehen wird. 4. Fehlende Regelungsdichte Angesichts der ambivalenten Natur der neuen Überwachungsmethode und der geplanten Ermöglichung von Bewegungsprofilen des Überwachten ist es inakzep-tabel, welche Freiräume der Gesetzentwurf den Anwendern lässt. a) Dies betrifft zum einen die Anordnungsvoraussetzungen. Die beiden gesetz-lich zugelassenen Formen der Überwachung, das Bewegungsprofil und die Ü-berwachung der An- und Abwesenheit in der Wohnung, stehen im Entwurf gleichwertig nebeneinander. Ihre Anordnung richtet sich allein „nach der individu-ellen Flucht- und Rückfallgefahr des Gefangenen und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (§ 3 Abs. 1 des Entwurfs). Die Erstellung eines Bewegungs-profils ist nach dem Gesetzeswortlaut somit sogar beim Vollzug einer Ersatzfrei-heitsstrafe im Wege des electronic monitoring möglich. Auch die Anordnung der elektronischen Überwachung von Lockerungen wird nicht unter strengere Vor-aussetzungen gestellt. Die Behauptung in der Gesetzesbegründung , hiermit er-hielten solche Gefangene eine Chance auf Lockerungen, bei denen die Voraus-setzungen ansonsten nicht vorlägen, wird somit gerade nicht in das Gesetz über-nommen. b) Zum anderen betrifft es die Zuständigkeit für die Durchführung der elektroni-schen Überwachung. Gem. S. 23 der Gesetzesbegründung wurde „im Entwurf bewusst offen definiert“, wer die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle sei. Tatsächlich ist dieser Punkt im Gesetzentwurf überhaupt nicht geregelt. Nur in der Begründung des Entwurfs und lediglich als Beispiel werden eine Dienststel-le der Justizvollzugsanstalt oder eine private Organisation genannt. Die Vergabe an private Dritte sei möglich, „weil die elektronische Aufsicht keinen Grund-rechtseingriff darstellt“. Davon abgesehen, dass sich auch hier ein denkwürdiger Sinneswandel in den letzten zweieinhalb Jahren niederschlägt, reicht dieses – in sich bereits fragwür-dige – Behauptung nicht aus, um die fehlende Regelung zu rechtfertigen. Der Vollzug von Freiheitsstrafe gehört zu den gravierendsten Eingriffen in Grund- und Menschenrechte. Die elektronische Überwachung greift dabei – besonders in der Form der Erstellung eines Bewegungsprofils – in zusätzliche Bereiche des Per-sönlichkeitsrechts ein, die beim traditionellen Strafvollzug noch nicht betroffen sind. Die Zuständigkeit für die Durchführung dieser Überwachung nicht zu regeln, erscheint angesichts dessen unvertretbar. Hinzu kommt, dass somit auch keine Vorgaben für die Qualifikation der durchfüh-renden Stelle gemacht werden. Dies würde es erlauben, die Stelle beispielsweise ausschließlich mit Technikern zu besetzen. Dabei ist unbestritten, dass die mit der dauernden elektronischen Überwachung einhergehenden Belastungen die Betreuung des Verurteilten durch hierfür ausgebildetes Personal erforderlich ma-chen, und zwar nach den bisher vorliegenden Erfahrungen in erheblichem Maß . Schließlich bleibt mangels entsprechender Regelung offen, wer für die technische Erhebung der Daten zuständig ist. Sollen die Daten von der selben „Stelle“ erho-ben werden, die auch das Vollzugsprogramm erstellt? Wie wird gewährleistet, dass diese Stelle über die notwendige Kompetenz auch im technischen Bereich verfügt? Wenn die Daten – wie beispielsweise in Hessen – von einer anderen Stelle erhoben werden sollen, müsste dies aufgrund der Intensität des Grund-rechtseingriffs ebenfalls ausdrücklich gesetzlich geregelt sein, zumal sich hieraus weitere datenschutzrechtliche Folgen, beispielsweise die Notwendigkeit der Ano-nymisierung der Daten, ergeben würden. 5. Datenschutz § 12 Abs. 3 des Entwurfes sieht vor, dass die im Zuge der elektronischen Über-wachung gewonnenen Daten von der Justizvollzugsbehörde unter Umständen an andere Stellen übermittelt werden dürfen. Die derzeitigen Buchstaben a – d betreffen dabei die Gefährdung von Staatsschutzinteressen, was vermutlich nicht praxisrelevant werden wird. Anders ist dies bei den derzeitigen Buchstaben e bis h. Diese enthalten eine Fülle unbestimmten Rechtsbegriffe wie „zur Abwehr er-heblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer erheblichen Gefahr für die öf-fentliche Sicherheit“ (lit. e), „zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person“ (lit. f), „zur Verhinderung oder Verfolgung von erheblichen Straftaten“ (lit. h). Diese Voraussetzungen sind zu weit gefasst und zudem nicht ausreichend abgrenzbar definiert, als dass sie als Rechtsgrundlage für die Weitergabe der in der elektronischen Überwachung, insbesondere bei Er-stellung eines Bewegungsprofils erhobenen Daten dienen könnten. Abzulehnen ist auch die Löschungsregelung in § 13 des Entwurfes. Dort heißt es zwar in Satz 1, dass die erhobenen Daten „spätestens eine Woche nach ihrer Er-hebung zu löschen“ sind. Sogleich folgt aber die Einschränkung, dass dies nicht gilt, wenn ihre fortdauernde Speicherung oder Aufbewahrung im Einzelfall zur Aufklärung oder Verfolgung „von dokumentierten Vorkommnissen“ erforderlich ist. Dann erfolgt nur noch eine allgemeine Abwägungsklausel, die inhaltlich in der zu-vor genannten Erforderlichkeit ohnehin enthalten ist. Was „dokumentierte Vorkommnisse“ im Sinne dieser Vorschrift sind, wird nicht definiert. Es wird nicht einmal die Erheblichkeit der „Vorkommnisse“ verlangt. Le-diglich in der Gesetzesbegründung heißt es, dass Maßstab die Aufzählung aus § 12 sein „kann“. Tatsächlich wird auf diese Weise die kurze und strikt anmutende Löschungsfrist in § 13, 1. Halbsatz faktisch wieder aufgehoben. 6. Kosten Das electronic monitoring ist nach allen Untersuchungen und Erfahrungen eine für die Betroffenen einschneidende Maßnahme, die einer umfassenden psycho-sozialen Begleitung bedarf . Ohne diese ist in den Fällen des Hausarrestes weder ein Wochenplan zu erstellen, der die Aussicht hat, eingehalten zu werden, noch angemessen auf Verletzungen der darin vorgesehenen strikten Uhrzeiten zu rea-gieren. Gleiches gilt für die Erarbeitung eines genauen Programms inklusive der einzuhaltenden Wege und Wegzeiten für die elektronische Überwachung der Lo-ckerung. Die Kostenberechnung für das in Baden-Württemberg geplante Modellprojekt macht deutlich, dass eine ausreichende Betreuung nicht vorgesehen ist. Das eine Resozalisierung fördernde Potential der neuen Maßnahme wird also nicht ge-nutzt, stattfinden soll ersichtlich lediglich eine technische Überwachung. So wird in der Kostenberechnung zugrunde gelegt, dass folgende sozialarbeiterische Tä-tigkeiten stattfinden werden: fünf Stunden pro Fall für die Abfassung der erforder-lichen Berichte, darüber hinaus bei der Ersatzfreiheitsstrafe eine Stunde wöchent-lich, beim Entlassungsarrest drei Stunden monatlich , bei elektronisch überwach-ten Lockerungen überhaupt keine. Diese Zahlen sprechen für sich: Auch dieser Gesetzentwurf ist von einem alles andere in den Hintergrund drängenden Einsparungswillen geprägt. Die einseitige Ausrichtung auf die elektronische Überwachung anstelle einer durch die elektronische Überwachung unterstützte intensive sozialpsychologische Betreuung erhöht die Gefahr eines net-widening-Effektes: Abbrüche der Maß-nahme wegen Fehlverhaltens der Probanden sind vorauszusehen, wenn die Wo-chenpläne im Hausarrest und die Bewegungspläne in Fällen der GPS-Überwachung nicht in ausführlichen Gesprächen vorbereitet sind; Abbrüche auf-grund fehlender Aufklärung bei Verstößen gegen die Zeitvorgaben bei äußeren Zwängen – vom Stau über die Zugverspätung bis zur plötzlich befohlenen Über-stunde – ebenfalls, wenn kein Ansprechpartner vorhanden ist, der die vorge-brachten Gründe innerhalb kurzer Zeit überprüft. Diese Probanden werden bei späteren Vollzugsentscheidungen Nachteile hinnehmen müssen, weil ihnen ihr Scheitern bei der elektronischen Aufsicht vorgehalten werden wird. Schließlich ist noch erwähnenswert, dass bei einer unzureichenden Ausstattung mit betreuendem Personal auch die Wochenfrist zur Löschung der Daten in der Regel nicht wird eingehalten werden können: Bis geklärt ist, warum ein Gefange-ner später als programmiert von der Arbeit zurückkam, wird bei unzureichender personeller Ausstattung oftmals mehr als eine Woche vergehen. II. Systembruch mit §§ 109 ff. StVollzG § 2 Abs. 3 des Entwurfes sieht vor, dass der Entlassungsarrest der Zustimmung der Strafvollstreckungskammer bedarf, wenn er länger als vier Wochen ununterbrochen andauern soll. Diese Regelung ist abzulehnen. Der Entlassungsarrest soll eine Vollzugsform der Freiheitsstrafe darstellen, nicht et-wa eine Art der Bewährungsaussetzung. Die Zustimmung der Strafvollstreckungs-kammer vor der Anordnung vollzugsinterner Maßnahmen stellt eine systemwidrige Konstruktion dar. Ihre Einführung würde zu ungelösten Friktionen mit dem Rechts-schutzsystem der §§ 109 ff. StVollzG führen, die gem. § 1 Abs. 2 des Entwurfes und nach seinem Grundkonzept weiterhin anwendbar bleiben. Nach §§ 109 ff. StVollzG kann der Gefangene die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckung über ihn betreffende Anordnungen der Vollzugsverwaltung bean-tragen. Nach § 2 Abs. 3 des Entwurfes wäre die Strafvollstreckungskammer an der Entstehung eines Verwaltungsaktes der Vollzugsbehörde beteiligt, über dessen Rechtmäßigkeit sie im Rahmen eines Rechtsschutzantrages nach §§ 109 ff. StVollzG entscheiden müsste. Dieser Systembruch wird nicht dadurch entschärft, dass der elektronisch überwachte Entlassungsarrest gem. § 4 Abs. 1 lit. a) des Entwurfes nur mit Zustimmung des Ge-fangenen angeordnet werden darf. Dies lässt nämlich das Rechtsschutzbedürfnis des Gefangenen nicht entfallen. Soll der Gefangene beispielsweise gegen die Ablehnung der Bewilligung von Entlas-sungsarrest einen Antrag nach § 109 StVollzG bei der Strafvollstreckungskammer stellen, die die Zustimmung bereits verweigert hatte? Oder soll er gegen Weisungen im Rahmen des elektronischen Hausarrest bei derselben Strafvollstreckungskammer um Rechtsschutz nachsuchen, die genau diesen Weisungen ihre Zustimmung erteilt hatte? Zur Begründung für die Einführung des Zustimmungserfordernisses durch die Straf-vollstreckungskammer wird im Gesetzentwurf lediglich die „faktische Nähe zur Straf-vollstreckung“ erwähnt. Dies kann aber den entstehenden Systembruch nicht recht-fertigen. Die Kompetenz zur Regelung des elektronisch überwachten Entlassungsar-restes wird im Gesetzentwurf ausdrücklich daraus abgeleitet, dass es sich um Rege-lungen des Strafvollzuges und nicht etwa der Strafvollstreckung handelt, für die der Landesgesetzgeber keine Kompetenz hätte. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Trennbarkeit von Vollstreckungs- und Vollzugsfragen vorausgesetzt. Die Folgen muss der Landesgesetzgeber hinnehmen. Auch im Maßregelvollzug wird im Übrigen ein Teil der – anrechenbaren – Freiheits-entziehung im Rahmen von Lockerungen außerhalb der Maßregeleinrichtung vollzo-gen, bevor die Vollstreckung der Maßregel – dann von der Strafvollstreckungskam-mer – gegebenenfalls zur Bewährung ausgesetzt wird. Selbst bei dieser problemati-schen Klientel ist hierfür die Zustimmung der Strafvollstreckungskammer – aus gu-tem Grund – nicht vorgesehen. An anderen Aspekten wird ebenfalls deutlich, dass die in § 2 Abs. 3 des Entwurfes vorgesehene Zustimmung der Strafvollstreckungskammer sich nicht in das beste-hende Strafvollzugsrechtssystem einfügen lässt. So ist nicht geregelt, von wem die Strafvollstreckungskammer mit der Frage der Zu-stimmung befasst werden soll. Nach der Konzeption des Gesetzentwurfes müsste dies die JVA selbst sein – also die Behörde, zu deren Kontrolle die Strafvollstre-ckungskammer in Fragen des Strafvollzuges gerade berufen ist. Auch bleibt unklar, in welchem Verfahren die Strafvollstreckungskammer die Zu-stimmung zum Entlassungsarrest erteilen sollte. Wäre der Verurteilte selbst anzuhö-ren? Wenn ja, in welcher Form? Wäre die Staatsanwaltschaft einzubeziehen? Wer könnte welches Rechtsmittel gegen die Verweigerung der Zustimmung durch die StVK einlegen? Aus all dem wird deutlich, das die Zustimmung der Strafvollstreckungskammer zu vollzugsinternen Maßnahmen einen Bruch mit dem bestehenden Rechtssystem des Strafvollzuges darstellen würde. Den negativen Auswirkungen eines solchen Sys-tembruchs stünde nur der Gewinn für die Justizverwaltung gegenüber, im Fall öffent-lichen Aufsehens, beispielsweise wegen eines Missbrauchs des Arrests, auf die ge-richtliche – und daher nicht in der Verantwortung der Justizverwaltung stehende – Zustimmung hinweisen zu können. Es wird daher dringend nahegelegt, das Zustimmungserfordernis aus § 2 Abs. 3 des Entwurfes zu streichen. III. weitere Anmerkungen zu Details (in der Reihenfolge der Regelungen) 1. Gem. § 3 Abs. 3 des Entwurfes soll die elektronische Überwachung bis zu einem Drittel der Dauer des Hausarrestes unter bestimmten Umständen durch Auflagen und Weisungen ersetzt werden können. In der Begründung wird dies als Bewäh-rungsaussetzung bezeichnet (S. 13). Der Gesetzentwurf enthält allerdings keine – ausdrückliche – Regelung darüber, wer diese Entscheidung trifft. Nicht geregelt sind ebenfalls die Folgen eines Verstoßes gegen die Auflagen und Weisungen im Hausarrest ohne elektronische Überwachung. § 8 betrifft nämlich nur die Folgen von Verstößen gegen die Bedingungen der elektronischen Aufsicht oder die An-ordnungen der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle. Dass diese die Weisungen und Auflagen für die „Bewährungszeit“ erteilt, ist aber nicht vorgese-hen. Daher sollte entweder in § 3 Abs. 3 des Gesetzes geregelt werden, dass die Entscheidung über die „Bewährungsaussetzung“ und die notwendigen Weisun-gen und Auflagen von der für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle getrof-fen wird – was im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken problematisch sein könnte – oder aber § 8 um Verstöße gegen die Anordnungen im Rahmen der „Bewährungsaussetzung“ ergänzt werden. 2. § 4 Abs. 1 des Entwurfes regelt die Voraussetzungen für die Anordnung des e-lektronisch überwachten Hausarrestes. Hier sollte unter lit. d) hinzugefügt werden, dass das Einverständnis der im Haus-halt lebenden Erwachsenen schriftlich vorliegen muss. 3. § 5 Abs. 1 des Entwurfes regelt das Bewilligungsverfahren. Hiernach muss der Verurteilte spätestens 30 Tage vor Strafantritt oder Übertritt in die elektronische Aufsicht das entsprechende Gesuch bei der Justizvollzugsanstalt einreichen. Dies dürfte bei der Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe im Wege des Arrestes zu prak-tischen Problemen führen, da die für ihn zuständige JVA dem Verurteilten mehr als 30 Tage vor Strafantritt noch nicht bekannt ist. 4. In § 7 des Entwurfes sind die Bereiche Arbeit und Freizeit geregelt. Nach § 7 Abs. 1 ist festgelegt, dass der Gefangene während der elektronischen Aufsicht einer Beschäftigung (Arbeit oder Ausbildung) von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgehen muss. Nach S. 26 der Begründung darf der Verurteilte während dieser Zeit „nicht im Haus sein“. Entgegen den Ausführungen auf S. 17 der Begründung scheidet der elektronisch überwachte Hausarrest somit als Vollzugsform für Müt-ter mit Kindern in der Regel aus. Es wäre erwägenswert, hier die Formulierungen zu lockern. 5. Zu begrüßen ist, dass die wissenschaftliche Evaluation dieser neuen Maßnahme im Gesetz festgeschrieben werden soll. Bei der Auftragsvergabe wird darauf zu achten sein, dass die Forschungsinstitution finanziell selbständig und nicht auf die Einwerbung von Drittmitteln, beispielsweise durch Forschungsaufträge staatlicher Stellen, angewiesen ist. Mit freundlichen Grüßen Dr. Susanne Müller Neue Richtervereinigung – Landesverband Baden-Württemberg